„Schmuck ist sichtbar gewordene Erinnerung.“
Was bewegt Menschen, die Schmuck nicht nur tragen, sondern erschaffen?
In meiner Reihe „Im Gespräch mit…“ spreche ich mit GoldschmiedInnen und und SchmuckdesignerInnen über ihren Weg ins Handwerk, über Formgefühl, Materialien, Ideenfindung und Herausforderungen.
Diesmal im Gespräch: Kristina Wedde, Goldschmiedin aus Berlin.
Kristina arbeitet als angestellte Goldschmiedin in einer Berliner Goldschmiede und vertreibt ihren eigenen Schmuck über ihr Label „Kristina Wedde Jewelry„. Kristina und ich haben uns vor neun Jahren in einer Goldschmiede kennen gelernt, wo wir beide angestellt waren. Später waren wir wieder Kolleginnen in einer weiteren Goldschmiede. Irgendwann haben wir uns auch außerhalb der Arbeit getroffen, uns angefreundet und angefangen zusammen zu arbeiten.
Wie bist du zum Goldschmieden gekommen?
Als ich 14 Jahre alt war, ging ich in Frankfurt Oder in ein Jugendzentrum namens Mikado und besuchte dort einmal in der Woche die Metallwerkstatt. Dort erlernte ich die Grundtechniken des Goldschmiedens, z. B. Sägen, Feilen und sogar schon das Löten mit dem Mundlötrohr. Dabei blieb ich dann bis ich mit dem Abitur fertig war. Mit 15 oder 16 wusste ich schon, dass ich Goldschmiedin werden wollte.
Gab es ein Schlüsselerlebnis oder eine langsame Annäherung?
2001 machte ich Abitur und wollte unbedingt nach Berlin. Ich hatte dort eine Tante, der ich sehr verbunden war, die damals in einer Galerie arbeitete und mich für Kunst begeistert hat. In Berlin erwies sich aber die Suche nach einem Ausbildungsplatz als sehr schwierig, und so arbeitete ich erst einmal in der Gastronomie und suchte sogar nach Ausbildungsplätzen als Ergotherapeutin. Irgendwann brachte mich mein damaliger Partner auf die Idee, eine Ausbildung in seiner Heimat Eberswalde zu machen. Dort habe ich dann meine Ausbildung gemacht – bei Juwelier Elling, einem Goldschmiedebetrieb, der seit 1749 in Familienhand ist. Dort habe ich sehr viel Handwerkliches lernen können. Ich habe viele Reparaturen gemacht und auch Kundenaufträge angefertigt.
Was hat dich anfangs fasziniert – und was hält dich bis heute im Beruf?
Mich hat schon immer fasziniert, dass ich greifbare Dinge herstellen kann, die Menschen glücklich machen. Ich finde es wunderbar, dass man Lieblingsstücke von Kunden reproduzieren oder Schmuck nach Kundenwünschen anfertigen kann. Der Beruf ist sehr facettenreich, man arbeitet mit traditionellen Materialien wie Gold, Silber und Edelsteinen, aber auch mit ungewöhnlichen wie Plastik, Acryl oder Holz. Ich liebe es, dass ich in meiner Arbeit eine persönliche Handschrift entwickeln kann. Und ich kann wirklich sagen: Ich liebe diese Arbeit bis heute. Es motiviert mich, jeden Tag aufs Neue schöne Dinge herzustellen und technische Herausforderungen zu meistern.
Was inspiriert dich?
Meine Inspirationen bekomme ich vor allem aus meiner Umgebung: manchmal ist es etwas ganz Alltägliches, das mich auf eine Idee bringt – eine organische Form bei einem Spaziergang oder die Silhouette einer Vase. Ich gehe gerne in Ausstellungen und schaue mir Gemälde an. Auch Architektur, Bücher und Bildbände inspirieren mich.

Wie hat sich dein Stil entwickelt?
Ich denke, ich habe keinen genau festgelegten Stil. Ich arbeite gerne in Kleinserien und liebe sowohl geometrische als auch florale Formen. Das Experimentieren ist mir sehr wichtig und bedeutet für mich persönliche Freiheit. Zurzeit arbeite ich viel mit geometrischen Formen und verbinde sie mit zeitgenössischen Elementen wie Acryl.
Gibt es Materialien oder Formen, die immer wieder zu dir zurückfinden?
In meiner Arbeit tauchen bestimmte Dinge immer wieder auf – wie z. B. geschwärztes Silber oder geometrische Formen wie Kreise, Linien und Trapeze. Aber auch florale Elemente greife ich immer wieder zurück.
Welche Rolle spielen neue Techniken wie CAD oder 3D-Druck für dich?
Für mich erweitern sich die Möglichkeiten des Handwerks durch CAD und moderne Gussverfahren. Durch die Lasertechnik werden Reparaturen sehr viel einfacher, man muss z. B. die Steine nicht mehr vorher ausfassen. Man kann mit Hilfe von CAD-Techniken sehr viel einfacher Kopien von Schmuckstücken herstellen und sehr zeitsparend arbeiten.
Was bedeutet dir die Handarbeit im Kontrast zur digitalen Gestaltung?
Ich mag es sehr, wenn man sieht, dass ein Schmuckstück handgefertigt ist. Es soll sehr gut und annähernd perfekt gearbeitet sein, aber dennoch nicht wie industriell hergestellt wirken. Eine eigene Handschrift darf durchaus erkennbar sein.
Siehst du den Beruf in Gefahr – oder in einer neuen Phase?
Ich sehe eher, dass der Goldschmiedeberuf wieder an Ansehen gewinnt. Es gibt viele Menschen, die handgefertigten Schmuck sehr schätzen. Moderne Techniken sehe ich eher als eine Erweiterung des Berufs – nicht als sein Ende. Ich vertraue darauf, dass es zu den Grundbedürfnissen des Menschen gehört, sich zu schmücken, und dass dieses Bedürfnis alle Krisen überdauert.
Was macht ein gutes Schmuckstück für dich aus?
Allem voran ist die ordentliche und saubere handwerkliche Ausführung wichtig für mich. Ein Schmuckstück muss ansprechend sein – ich muss zu dem Resultat stehen können. Teilweise feile ich sehr lange an der perfekten Form, Proportion, Farbkombination und Länge herum, bis ich zufrieden bin und mich mit dem Schmuckstück identifizieren kann.
Wie wichtig ist dir Reduktion, Klarheit oder auch Experiment?
Das Experimentieren ist mir das Wichtigste. Ich spiele mit Materialien, Formen und Farbkombinationen, um der Eintönigkeit entgegenzuwirken. Bei neuen kreativen Aufgaben versuche ich, möglichst viele gestalterische Wege auszuloten.
Wie begegnest du den Wünschen deiner Kunden?
Ich versuche, die Vorstellungen der Kunden umzusetzen. Am Anfang steht immer eine gute Beratung – zum Design, zu den Materialien und zur technischen Umsetzung.
Spielt Nachhaltigkeit oder Herkunft der Materialien für dich eine Rolle?
Ich versuche, sehr Ressourcen schonend mit Materialien umzugehen und möglichst recycelte Werkstoffe einzusetzen.
Was war das schönste Feedback, das du je bekommen hast?
Ich habe wirklich sehr viel gutes und wertschätzendes Feedback bekommen. Am eindrücklichsten sind sicherlich Rückmeldungen, bei denen man merkt, dass der Schmuck den Menschen emotional berührt. Eine Freundin von mir ging gesundheitsbedingt durch eine sehr schwere Zeit und ich habe für sie einen Anhänger mit der Aufschrift „Breath“ gefertigt. Dieser Anhänger hat sie durch ihre Krankheit begleitet. Das ist, glaube ich, das wertvollste Feedback, das man bekommen kann.
Ein Satz für dich…
Zum Schluss bitte ich jede Interviewpartnerin, einen Satz zu finden, der sie und ihre Arbeit auf den Punkt bringt. Manchmal ergibt er sich aus dem Gespräch, manchmal entdecken wir ihn gemeinsam.
„Über viele Stolpersteine habe ich einen erfüllenden Job gefunden, der mir Tag für Tag Freude macht, mein Leben bereichert, kunterbunt ist und mir nie langweilig wird. Das erfüllt mich mit großer Dankbarkeit!“
Vielen Dank, liebe Kristina, für das schöne Gespräch.
Foto von Kristina Wedde: Edouard Compere.